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Die Lieder-Edda ist eine von zwei Geschichtensammlungen, die unter dem Begriff Edda zusammengefasst werden. Die zweite ist die Snorra-Edda.

Die Lieder-Edda, auch Saemundur-Edda, Ältere Edda oder Poetische Edda, ist eine Sammlung von Dichtungen unbekannter Autoren. Stofflich werden mythische Motive, so genannte Götterlieder, aus der nordischen Mythologie behandelt, und die sogenannten Heldenlieder. In den Heldenliedern werden Stoffe aus der germanischen Heldensage, beziehungsweise Heldendichtung wiedergegeben. Die Spanne reicht von dem historischen Kontext enthobenen Personen der Völkerwanderungszeit, dem sogenannten Heldenalter, bis zu nordischen Bearbeitungen der Nibelungensage.

Überlieferung

Der älteste und wichtigste Textzeuge der Lieder-Edda ist der vermutlich um 1270 niedergeschriebene Codex Regius (lat.: königliche Schrift; ein Werk, das in der königlichen Sammlung in Kopenhagen lag).

Aufgrund einiger Angaben wurde lange davon ausgegangen, dass die vorliegenden Texte schon von Saemundur Sigfusson (1056-1133) aufgezeichnet wurden, doch dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Doch Unregelmäßigkeiten in der Rechtschreibung zeigen, dass der Codex auf einer Vorlage aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts basiert. Ältere Spuren finden sich nicht. Die ältesten enthaltenen Lieder gehen möglicherweise auf das 10. Jahrhundert zurück. Ein noch höheres Alter ist aus sprachgeschichtlichen Gründen nicht anzunehmen.

Belege wie Schnitzereien in norwegischen Kirchen oder eine Darstellung auf dem schwedischen Ramsundstein zeigen, dass der schriftlichen Aufzeichnung Jahrhunderte müdlicher Überlieferung vorangingen. Welche Veränderungen die Texte in dieser Zeit durchgemacht haben, ist nicht bekannt und die Ansichten über die Datierung der alten Textstellen gehen stark auseinander. Die jüngsten Lieder stammen aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Daneben gibt es Lieder, die nicht im Codex Regius überliefert wurden, doch aufgrund ihrer Schreibweise zu den Edda-Liedern gezählt werden. Die Lieder und Gedichte sind überwiegend als Verse erhalten, doch es gibt auch immer wieder kurze Prosa-Abschnitte.

Alter

Die Datierung ist im Zusammenhang mit dem Wechsel der Religion zur damaligen Zeit zu sehen, bei dem die Lieder-Edda als Überlieferung vorchristlicher Zustände angesehen werden kann. Die Verschristlichung in Island fand im 13. Jahrhundert statt und man dachte lange, die literarische Form würde aus dieser Zeit stammen. Als bei Ausgrabungen in den Bergen ein Runenversfragment gefunden wurde, das man auf 1200 datierte, kam man zu dem Schluss, dass die Form schon zu dieser Zeit existierte.

Der Vers lautet:

Heil sér þú
ok í hugum góðum.
Þórr þik þiggi.
Oðinn þik eigi.

Gesund seist du
und guten Sinnes.
Möge Thor dich annehmen.
Möge Odin dich zu eigen machen.

Die Frage nach dem Alter ist allgemein sehr schwer zu beantworten, wie das Beispiel der Völuspá zeigt: Die Forscher sind sich einig, dass dieses Gedicht aus der Zeit um 1000 n.Chr. stammt, doch man kann daraus nicht schließen, ob ein ähnliches Gedicht zu dieser Zeit schon vorlag, aus dem die Völuspa entstand. Zwar kann man bestimmte Mytheninhalte in wesentlich früherer Zeit schon nachweisen, doch das bedeutet nicht, dass die überlieferte Dichtung schon in mündlicher Form vorlag. Die Werke der Edda dürfen nicht als Arbeit eines einzigen Verfassers angesehen werden, sondern als Material zur freien Verfügung eines jeden Dichters, der sich mit dem Stoff befasst hat. Beispielsweise ist das Skírnismál eine Gesichte mit vorchristlichem Inhalt, der nur neu Verarbeitet wurde. In der Lokasenna müssen die dort verwendeten Mythen als bekannt vorausgesetzt werden, die schon vorher in irgend einer Form im Umlauf waren. Die Strophen 104 bis 110 im Hávamál erzählen von Odin, der bei den Riesen durch Gunnlöd den heiligen Met gewann. Die Verse sind erst dann wirklich verständlich, wenn man Snorris Skáldsskapamál betrachtet; auch hier wird die Kenntnis des Zusammenhangs vorausgesetzt. Die Darstellung der Götter enthält keinen Bezug zum Christentum, auch nicht zu christlicher Moral, womit ihre Entstehung als viel älter vorausgesetzt werden kann.

Snorri sagt dazu:

"En ekki er at gleyma eða ósanna svá þessar frásagnir at taka ór skáldskapinum fornar kenningar, þær er höfuðskáld hafa sér líka látit. En eigi skulu kristnir menn trúa á heiðin goð ok eigi á sannyndi þessa sagna annan veg en svá sem hér finnst í upphafi bókar.

Die hier erzählten Sagen dürfen nicht vergessen oder Lügen gestraft werden, indem man aus der Dichtkunst die alten Umschreibungen verbannt, an welchen die Klassiker Gefallen gefunden haben. Doch sollen Christenmenschen nicht an die heidnischen Götter und nicht an die Wahrheit dieser Sagen auf andere Weise glauben, als so, wie es im Anfang dieses Buches zu lesen ist."

   —– Skáldskaparmál

Das zeigt, dass auch Snorri seine Überlieferungen als heidnisch ansah und nicht ungefährlich für Christen.

Inhaltsübersicht

In der Lieder-Edda sind 16 Götterlieder und 24 Heldenlieder enthalten. Diese Liste zeigt alle im Codex Regius enthaltenen Lieder und Gedichte:

  1. Götterlieder
    1. Völuspá (Der Seherin Weissagung)
    2. Hávamál (Des Hohen Lieder)
      1. Teil: Das alte Sittengedicht
      2. Teil: Billings mey (Billungs Maid)
      3. Teil: Suttungs mey (Suttungs Maid)
      4. Teil: Loddfáfnismál (Loddfafnirs Lied)
      5. Teil: Rúnatal þáttr Óðinn (Odins Runenlied)
      6. Teil: Ljóðatal (Die Aufzählung Runenlieder)
    3. Vafþrúðnismál
    4. Grímnismál  (Das Lied von Grimnir)
    5. Skírnismál (Skirnirs Ritt)
    6. Hárbarðslióð (Das Harbard-Lied)
    7. Hymiskviða (Das Lied von Hymir)
    8. Lokasenna (Lokis Zankreden) oder Oegisdrecka (Oegirs Trinkgelage)
    9. Þrymskviða oder Hamarsheimt (Das Thrym-Lied oder Des Hammers Heimholung)
    10. Völundarkviða (Das Wölund-Lied)
    11. Alvíssmál (Das Alvislied)
    12. Nicht im Kongungsbók enthaltene Götterlieder
      1. Hrafnagaldr Óðins (Odins Rabenzauber/wörtl. Rabengalster )
      2. Vegtamskviða oder Baldrs draumar (Das Wegtamslied oder Balders Träume)
      3. Svipdagsmál
        1. Grógaldr (Groas Erweckung)
        2. Fjölsvinnsmál (Das Lied von Fjölsviðr)
      4. Rigsþula (Rigs Merkreihe)
      5. Hyndlulióð (Das Hyndlalied)
        1. Völuspá in skamma - Die kurze Weissagung der Völva
      6. Gróttasöngr (Grottis Gesang)
  2. Heldenlieder
    1. Die Helge-Lieder
      1. Helgakviða Hjörvarðssonar (Das Lied von Helgi dem Sohn Hjörwards)
      2. Helgakviða Hundingsbana fyrri (Das erste Lied von Helgi dem Hundingstöter)
      3. Helgakviða Hundingsbana önnur (Das zweite Lied von Helgi dem Hundingstöter)
    2. Die Nibelungen-Lieder
      1. Sinfiötlalok (Sinfiötlis Ende)
      2. Sigurdarkviða Fafnisbana fyrsta edha Grípisspá  (Das erste Lied von Sigurd dem Fafnirstöter oder Gripirs Weissagung)
      3. Sigurðarkviða Fafnisbana önnur  (Das zweite Lied von Sigurd dem Fafnirstöter)
      4. Fáfnismál (Das Lied von Fafnir)
      5. Sigrdrífomál (Das Lied von Sigrdrifa)
      6. Brot af Brynhildarkviða (Bruchstück eines Brynhildenliedes)
      7. Sigurdarkviða Fafnisbana thridja (Das dritte Lied von Sigurd dem Fafnirstöter)
      8. Helreið Brynhildar (Brynhilds Helfahrt)
      9. Guðrúnarkviða in fyrsta (Das erste Gudrun-Lied)
      10. Drap Niflunga (Mord der Niflunge)
      11. Guðrúnarkviða in önnur (Das zweite Gudrun-Lied)
      12. Guðrúnarkviða in þriðja (Das dritte Gudrun-Lied)
      13. Oddrúnargrátr (Oddruns Klage)
      14. Atlakviða (Das alte Atli-Lied)
      15. Altlamál (Das jüngere Atli-Lied)
    3. Die Ermenrich-Lieder
      1. Guðrúnarhvöt (Gudruns Aufreizung)
      2. Hamðismál (Das Lied von Hamdir)
  3. Nicht in der Konungsbók enthaltene Heldenlieder
    1. Hlöðskviða - Das Hunnenschlachtlied
    2. Hervararljóð - Das Herwörlied
  4. Weitere, nicht in der Konungsbók überlieferte Texte:
    1. Sólarlióð Das Sonnenlied

Inhaltsübersicht der Genzmer-Heusler-Ausgabe

  1. Die Edda: Voraussetzungen
  2. Grenzmers Übersetzung im Spiegel der Edda-Forschung
  3. Edda und Edda-Übersetzung: Götterdichtung und Spruchweisheit
  4. Felix Genzmer und die Eddische Heldendichtung

Götterdichtung

  1. Der Seherin Gesicht (Völuspá)
  2. Das Wafthrudnirlied (Vafþrúðnismál)
  3. Das Grimnirlied (Grímnismál)
  4. Balders Träume (Baldrs draumar)
  5. Die kürzere Seherinnenrede (Völospá in skamma)
  6. Das Thrymlied (Þrymskviða)
  7. Das Hymirlied (Hymiskviða)
  8. Das Skirnirlied (Skírnismál)
  9. Lokis Zankreden (Lokasenna)
  10. Das Harbardlied (Hárbarzljóð)
  11. Das Alwislied (Alvíssmál)
  12. Das Merkgedicht von Rig (Rígsþula)
  13. Bruchstücke und Einzelstrophen
  14. Das Fjölswinnlied (Fjölsvinnsmál)
  15. Das Hyndlalied (Hyndluljóð)
  16. Das Walkürenlied (Darraðarljóð)

Spruchweisheit

  1. Das alte Sittengedicht (Hávamál)
  2. Die Lehren an Loddfafnir
  3. Das dritte Sittengedicht
  4. Einzelstrophen und Splitter
  5. Priameln
  6. Die Odinsbeispiele
  7. Die Geizhalsstrophen
  8. Die Heidreksrätsel (Heiðreks gátur)
  9. Die Runenlehren
  10. Die Zauberlieder (Ljóðatal)
  11. Der Zaubergesang der Groa (Grógaldr)
  12. Der Fluch der Busla (Buscubœn)
  13. Die Wölsistrophen
  14. Der Urfehdebann (Tryggðamál)

Heldengesänge

  1. Das Wölundlied (Völundarkviða)
  2. Das Hunnenschlachtlied (Hlöðskviða)
  3. Das Alte Sigurdlied (Brot af Sigurðarkviðu)
  4. Das Alte Atlilied (Atlakviða)
  5. Das Alte Hamdirlied (Hamðidmál)
  6. Das Jüngere Sigurdlied (Sigurðakviða in skamma)
  7. Das grönländische Atilied (Atlamál in grœnlenzku)
  8. Das Lied vom Drachenhort
  9. Die Vogelweissagung (Fáfnismál und Reginsmál)
  10. Die Erweckung der Walküre (Sigrídifomál)
  11. Sigurds Vaterrache (Reginsmál)
  12. Gripis Weissagung (Grípisspá)
  13. Gudruns Gattenklage (Guðrúnarkviða I)
  14. Gudruns Lebenslauf (Guðrúnarkviða II)
  15. Gudruns Sterbelied (Guðrúnarhvöt)
  16. Gudruns Gottesurteil (Guðrúnarkviða III)
  17. Brünhildens Helfahrt (Helreið Brynhildar)
  18. Oddruns klage (Oddrúnargrátr)
  19. Die ältere Dichtung von Helgi, dem Hundingstöter (Helgakviða Hundingsbana II)
  20. Das jüngere Lied von Helgi, dem Hundingstöter (Helgakviða Hundingsbana I)
  21. Die Dichtung von Helgi Hjörwardsson (Helgakviða Hjörvarzonar)
  22. Das Mühlenlied (Grottasöngr)
  23. Starkads Rückblick (Víkarsbálkr)
  24. Der Kampf auf Samsey
  25. Hjalmars Sterbelied
  26. Das Herwörlied
  27. Odds Männervergleich
  28. Das Innsteinlied
  29. Das Hroklied
  30. Hildibrands Sterbelied

Die literarische Gattung

Die Edda ist keine durchgängige Geschichte, sondern eine Sammlung verschiedener Lieder. Der erste Teil enthält die Götterlieder, der zweite die Heldenlieder. Die Heldenlieder überschneiden sich inhaltlich und halten nicht immer einen chronologischen Ablauf ein. Das trifft vor allem auf die Lieder der Nibelungensage zu, sie nehmen oft aufeinander Bezug, und folgen einer ungefähren Logik. Um die verschiedenen Sagenkreise miteinander zu verbinden, machte man verschiedene Helden miteinander verwandt. So wurde aus Brynhild in einigen Liedern die Schwester Atlis (Attila/Etzel). Sigurds Witwe Gudrun heiratete diesen später und nach seinem Tod Jonakr, womit auch die Sage von Hamdir und Sörli, als Kinder aus Gudruns dritter Ehe, mit der Nibelungensage zu verbinden. Indem man Helgi Hundingsbani ("Hundingstöter") mit in die Nibelungensage einzubringen, wurde aus ihm Sigurds Halbbruder gemacht.

Die Götterlieder

Um möglichst viel Wissen in konzentrierter Form weiterzugeben, wurden einige Götterlieder als Wissensdichtung angelegt. Diese Lieder haben die Form von Dialogen, in denen abwechselnd Fragen und Antworten gegeben werden. Dabei ist die Spruchdichtung ein wichtiges Element. Dort werden myhologische Begebenheiten, Lebensweisheiten und Verhaltensregeln vermittelt. Hier gibt es eine eindeutige Reihenfolge: die Völuspa behandelt die Vorzeit und die Endzeit der Welt (wobei die "historische" Zeit ausgelassen wird), die folgenden Lieder haben immer genauere Inhalte.

Die Heldenlieder

Die Heldenlieder behandeln verschiedene germanische Helden und sind so angelegt, als hätten diese zur Zeit der Völkerwanderung auf dem europäischen Kontinent gelebt. Einige von ihnen können geschichtlich belegt werden - zum Beispiel Atli als Hunnenkönig Attila oder Gunnar Gundahar, der König der Burgunden. Somit ergeben sich inhaltliche Überschneidungen mit Heldendichtungen wie dem Nibelungenlied. Obwohl der Codex Regius etwa 70 Jahre jünger ist als die älteste bekannte Handschrift des Nibelungenliedes, werden die Versionen einiger Eddalieder als älter angesehen. Allerdings gehören auch einige Eddalieder des Nibelungen-Sagenkreises zur jüngeren Schicht (13. Jahrhundert). Bei der Vorgeschichte des Nibelungenhortes und den Jugendjahren Sigurds ergeben sich Bezüge zur germanischen Mythologie, die im Nibelungenlied nicht vorhanden sind. Auch die Charaktere werden in einigen Eddaliedern veralteter dargestellt, im Nibelungenlied haben sie eine höfischere Form.

Auch in den Namen kann man große Unterschiede feststellen: Brünhild ist Brynhildr , Etzel ist Atli, Gunther ist Gunnar, Hagen heißt HögniKrimhild wird Gudrun genannt, und Siegfried Sigurd. Hierbei sind Atli, Brynhildr, Gunnar und Högni die deutschen Entsprechungen der ursprünglichen Namen, Gudrun und Sigurd hingegen sind andere Namen. Die Heldenlieder weisen ein sehr pessimistisches Weltbild auf. Die immer wiederkehrenden Motive sind Tapferkeit, Tod, Mord und Rache. Die Helden werden oft von Visionen in Form von Träumen oder durch die Einwirkungen von Sehern heimgesucht. Im gesamten Heldenliedteil sterben 36 Personen. Im Hamdismal, dem letzten Lied des Codex Regius, sterben auch die letzten Vertreter der Sippe um Sigurd und Helgi.

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